Google ehrt heute Anna Atkins mit einem Google Doodle zum 216. Geburtstag. Grund genug für uns, unsere Reihe „Große Fotografen“ mit einem Artikel über sie fortzusetzen.
Anna Atkins
Anna Atkins (* 16. März 1799 in Tonbridge, Kent; † 9. Juni 1871 Halstead Place, Halstead, Kent) wuchs als Halbwaise bei ihrem Vater John George Children auf, einem englischen Naturwissenschaftler. Nicht erstaunlich, dennoch für diese Zeit ungewöhnlich war es daher, dass Anna die Möglichkeit hatte, sich wissenschaftlichen Studien zuzuwenden. Sie spezialisierte sich auf Botanik und interessierte sich für Malerei und insbesondere Lithografie. Es war ihr ein Anliegen, ihre Arbeiten zur Botanik mit möglichst genauen und detailgetreuen Abbildungen zu illustrieren.
Anna Atkins by Anonymous (RPS Yorkshire) [Public domain], via Wikimedia Commons
Im Februar 1839 kam es zu einer wichtigen Begegnung zwischen Anna und ihrem Vater sowie William Henry Fox Talbot, dem Pionier der Fotografie. Auf einem Kongress der Royal Society präsentierte er seine noch ohne Kamera entstandenen „photogenic drawings“. Der Physiker Sir John Herschel, der im gleichen Jahr das Verfahren der Cyanotypie erfand, gehörte zu Atkins Freundeskreis. Anna Atkins erkannte sofort das Potential der neuen technischen Möglichkeiten für ihre Arbeit und erlernte in kurzer Zeit die Anwendung der Cyanotypie. So entstand 1843 der erste Fotobildband aller Zeiten: British Algae: Cyanotype Impressions, den Anna Atkins in den Folgejahren mehrfach ergänzte und erweiterte. Die Buchproduktion war aufwändig, das Buch wurde mit insgesamt 389 Cyanotypien illustriert. Nur wenige Exemplare wurden hergestellt, die Anna Atkins an Botaniker und interessierte Wissenschaftler in ihrem Freundeskreis verschenkte. 1854 folgte die Veröffentlichung von Cyanotypes of British and Foreign Flowering Plants and Ferns.
Anna Atkins: Cyanotypie einer Alge aus dem Buch British Algae: Cyanotype Impressions
Annas Zeit war in fotografischer Hinsicht geprägt von den verschiedensten bahnbrechenden Erfindungen in der Fotografie, fast zeitgleich hervorgebracht und einander recht ähnlich. Oft genug stritt man sich darum, wer welches Verfahren zuerst entdeckt hatte. Anna Atkins Begeisterung über die Cyanotypie von John Herschel fand wenig Befürworter. Sein Verfahren wurde von der Talbotypie überholt. Anna Atkins produzierte zudem nur geringe Stückzahlen ihrer Bücher unter dem Pseudonym „AA“, die zu ihren Lebzeiten wohl deshalb auch wenig Beachtung fanden.
Über ihr Leben ist darüber hinaus wenig bekannt. Sie heiratete 1852 John Pelly Atkins; die Ehe blieb kinderlos. Im Jahre 1853 veröffentlichte sie mit Memoir Of J G Children eine Biographie über ihren verstorbenen Vater. Ihre Leidenschaft für die Cyanotypie behielt sie zeitlebens bei und stellte im Laufe der Zeit unzählige Blaudrucke her.
Anna Atkins: Cyanotypie eines Waldschachtelhalms aus dem Buch Cyanotypes of British and Foreign Flowering Plants and Ferns
Erst im 20. Jahrhundert entdeckte man Anna Atkins und ihre Bedeutung für die Fotografie wieder. Sie gilt seitdem als eine der ersten Fotografinnen. Über den Titel mag man sich streiten. Unbestritten ist jedoch, dass der weltweit erste Fotobildband von ihr stammt und dass sie mit ihrer Begeisterung für die Wissenschaft und dem sicher dazugehörenden Mut und Durchhaltevermögen als Frau ihrer Zeit weit voraus war.
Ihre Bilder findet man heute unter anderem im Musée d´Orsay, Paris und im MoMA (Museum of Modern Art), New York.
Ein Kapitel über Anna Atkins gibt es in dem sehr empfehlenswerten Buch „Meisterinnen des Lichst. Große Fotografinnen aus zwei Jahrhunderten“ von Boris Friedewald, erschienen im Prestel Verlag, ISBN 978-3-7913-4673-1, 34,95 .