[avatar user=“AnjaC“ size=“75″ align=“left“ /]Das Völkerkundemuseum in Zürich präsentiert Fotografien von Florence Weiss, die Anfang der 1970er Jahre an einer Expedition nach Papua-Neuguinea teilnahm. Ihr Forschungsschwerpunkt betraf das Leben der Kinder. Nun werden 60 Bilder aus dieser Zeit ausgestellt.
Kinder im Augenblick. Florence Weiss – Fotografien vom Sepik
Von 1972 bis 1974 führte das Ethnologische Seminar der Universität Basel unter der Leitung von Professor Meinhard Schuster und mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds eine Expedition an den mittleren Sepik (Papua-Neuguinea) durch.
Neben vier anderen jungen EthnologInnen nahmen Milan Stanek (†) und Florence Weiss an der Expedition teil. Beide lebten und forschten anschließend über anderthalb Jahre in Palimbei, einem Dorf der Iatmul mit damals ungefähr 300 Einwohnern. Milan Stanek untersuchte dabei die lokale Sprache und Mythologie, Florence Weiss setzte sich mit der Wirtschaftsweise und der Stellung der Kinder in der Dorfgemeinschaft auseinander.
Dabei begriff Florence Weiss die Kinder der Iatmul nicht nur als handelnde und ernst zu nehmende Mitglieder der Dorfgemeinschaft, sondern sah sie auch als kompetente Gesprächspartner für ihre Forschung. Der Austausch mit den Kindern bildete schließlich einen grundlegenden Baustein ihrer 1981 erschienenen Dissertation „Kinder schildern ihren Alltag“.
Gleichzeitig begann Florence Weiss, die Kinder auch mit ihrer eigenen Leica und einer vom Ethnologischen Seminar der Universität Basel zur Verfügung gestellten Minolta zu begleiten und legte sogenannte „Foto-Tage“ ein. An diesen Tagen widmete sie sich ausschliesslich ihrer Leidenschaft des Fotografierens. Aus dem Feldaufenthalt gingen schliesslich mehr als 10`000 Schwarz-Weiss-Negative und Diapositive hervor.
58 aus dieser Forschung hervorgegangene Fotografien werden als Ergebnis eines Dialogs von Florence Weiss mit einer jungen Zürcher Ethnologin, Michèle Dick, in der Ausstellung „Kinder im Augenblick“ vorgestellt. Sie gewähren uns nicht nur Einblicke in den damaligen Alltag der Kinder der Iatmul, sondern zeigen auch, wie dieser durch die fotografische Linse der jungen Ethnologin aufgenommen und festgehalten wurde. Die Fotografie, als ein im Augenblick entstandener Gegenstand, widerspiegelt die Begegnungen und Beziehung zwischen Florence Weiss und den Kindern im Dorf Palimbei und ihre Verbundenheit in den Jahren 1972 bis 1974.
Über Florence Weiss
Florence Weiss wurde 1945 in Basel geboren. Sie wuchs in einem linken und kunstinteressierten Milieu auf. Ihr Vater war ein leidenschaftlicher Freizeitfotograf, und als sie etwas älter war, half sie ihm beim Entwickeln seiner Abzüge in der Dunkelkammer. „Wie auf dem belichteten Papier nach und nach das Bild erschien, hat für mich bis heute etwas Magisches behalten“ – erzählte Florence Weiss in einem Gespräch im März 2015. Mit 17 Jahren erhielt sie Geld von ihrer Großmutter und kaufte sich davon eine Leica. Dennoch entschied sie sich gegen einen künstlerischen Beruf und nahm 1967 das Studium der Ethnologie, Politischen Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Basel auf. In den Veranstaltungen der Ethnologie lernte sie ihren künftigen Lebenspartner Milan Stanek kennen, mit dem sie 1972–1974 die Forschung im Dorf Palimbei am Sepik-Fluss im Nordosten Papua-Neuguineas durchführte.
Es war Florence Weiss‘ erste Feldforschung. Neben fünf anderen Studierenden nahm sie an einer Expedition von Professor Meinhard Schuster an den mittleren Sepik teil. Aus dem Forschungsaufenthalt gingen mehr als 10’000 Negative und Diapositive hervor. 1981 erschien ihre Disseration „Kinder schildern ihren Alltag“. In den Folgejahren führte sie mehrere Forschungen mit den Iatmul durch. 1988/89 unternahm sie zusammen mit Milan Stanek eine urbanethnologische Forschung in der Küstenstadt Rabaul in Papua-Neuguinea. Sie beide untersuchten die Lebensbedingungen der Iatmul-Migrantinnen, insbesondere die Frage nach deren neuer kulturellen Identität. Als Florence Weiss merkte, dass die Iatmul in Rabaul Fotoalben ihrer zum Teil weit weg lebenden Familienmitglieder hatten, begann sie wieder zu fotografieren. Daraus entstand ein kleines Fotobuch, KORI. Ples Palimbei long Rabaul. Sie schenkte es den Iatmul-MigrantInnen in Rabaul als Zeichen ihrer Dankbarkeit.
Florence Weiss etablierte sich als renommierte Wissenschaftlerin in einer Ethnologie der Kindheit, der Ethnopsychoanalyse und Gender Studies. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, unter anderem Gespräche am sterbenden Fluss (1986), Die dreisten Frauen: Eine Begegnung in Papua-Neuguinea (1996). 1992 nahm sie eine Stelle als Dozentin an der Universität Basel an und war in den Folgejahren an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig. Im Jahre 2007 wurde Florence Weiss pensioniert. Zusammen mit Milan Stanek unternahm sie verschiedene Reisen in Europa und begann, aus dem Konvolut an Fotografien von 1972–1974 eine Auswahl von 350 Fotografien zusammenzustellen. Diese Bilder wurden 2013 dem Völkerkundemuseum der Universität Zürich vorgelegt. Zusammen mit Michèle Dick begannen Milan Stanek und Florence Weiss mit der Konzipierung der Ausstellung „Kinder im Augenblick“. Im November 2014 starb Milan Stanek nach kurzer Krankheit.
Publikation
Kinder im Augenblick. Florence Weiss – Fotografien vom Sepik
Mareile Flitsch (Hrsg.), Michèle Dick, in Zusammenarbeit mit Florence Weiss, Benteli Verlag, Zürich und Völkerkundemuseum der Universität Zürich, 2015.
136 Seiten, 22.5 x 27 cm, 60 Abbildungen / Fotografien in schwarzweiss, 1 Karte. ISBN 978-3-7165-1818-2. Deutsch.
Preis: CHF 39.90, EUR 39.90 (D)
Besucherinformationen Völkerkundemuseum der Universität Zürich Pelikanstrasse 40, CH-8001 Zürich Tel +41 44 634 90 10 Fax +41 44 634 90 50 [email protected] Ausstellungsdauer: bis 13. März 2016 Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10–17 Uhr | Do 10–19 Uhr | Sa 14–17 Uhr | So 11–17 Uhr
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung von Völkerkundemuseum der Universität Zürich