[avatar user=“AnjaC“ size=“75″ align=“left“ /]Die Staatlichen Museen Berlin präsentieren eine einzigartige Ausstellung mit 250 Werken aus 5 Museen aus einer ganz frühen Zeit der Fotografie in Japan. Unbedingt sehenswert!
Zartrosa und Lichtblau. Japanische Fotografie der Meiji-Zeit (1868–1912)
Eine Ausstellung der Kunstbibliothek in Kooperation mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin
Wer im 19. Jahrhundert aus Europa oder Amerika nach Japan reiste, betrat Neuland. Bis 1854 von der Außenwelt weitgehend abgeschottet, erlebte Japan fortan eine rasante Modernisierung. Diplomaten kamen ins Land, gefolgt von Händlern, Fabrikanten, Touristen und Fotografen. Zur Symbolfigur für den politischen Umbruch unter der Losung „Zivilisation und Aufklärung“ wurde Kaiser Mutsuhito, besser bekannt unter seinem Thronnamen Meiji („erleuchtete Herrschaft“). In den Jahren seiner Regierung fand das Feudalsystem der Edo-Zeit, die fast 270-jährige Militärherrschaft der Tokugawa-Shōgune, ein Ende.
Y. Isawa Hiroshima, Miyajima. ItsukushimaSchrein, September 1896 oder früher Albuminpapier, koloriert, 20,5 x 26,2 cm / 31,6 x 38,9 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Die Fotografie galt neben der Dampfmaschine, dem Gaslicht oder dem Heißluftballon als eine der wichtigsten technischen Errungenschaften auf dem Weg zur Europäisierung des Landes. Zunächst von Amerikanern und Engländern eingeführt, verkörperte sie für die an einer Öffnung Japans interessierten Kreise den Fortschritt schlechthin. So wurde ein fotografisches Bildnis des Kaisers nicht nur an Diplomaten und Regierungsbehörden ausgegeben sowie zu besonderen Anlässen ausgestellt. Vielmehr ersetzte es bei Bedarf sogar persönliche Begegnungen, wenn etwa untertänige Besucher dem Tennō ihre zeremonielle Huldigung erbrachten.
Felice Beato Hoher Beamter mit Frau, um 1870 Albuminpapier, koloriert, ca. 13,4 x ca. 19,1 cm / 19,6 x 24,5 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Die wachsende Zahl der Touristen machte die Fotografie seit den 1860er Jahren zu einem lukrativen Geschäft. Während die normale japanische Bevölkerung zur persönlichen Erinnerung lange die nur als Unikate erhältlichen Ambrotypien nutzte, wählten die Reisenden bei den großen Studios oder Wanderhändlern aus einem schier unerschöpflichen Repertoire an vorgefertigten, beliebig reproduzierbaren Motiven. Fotografen wie Felice Beato, Raimund Stillfried von Rathenitz, Kusakabe Kimbei, Usui Shūzaburō oder Tamamura Kōzaburō legten den Grundstein für eine ganze Souvenirindustrie. Dabei knüpften sie an die Themen und Bildsprache der im Westen begehrten Holzschnitte an. So zitieren die als „Views“ gehandelten Aufnahmen von Tempeln, Schreinen und landschaftlichen Schönheiten vielfach Ansichten berühmter Orte von Künstlern wie Utagawa Hiroshige oder Katsushika Hokusai.
Fotograf unbekannt Tōkyō, Gartenlandschaft mit Geisha, um 1885 Albuminpapier, koloriert, 19,8 x 26,2 cm © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die Fantasie westlicher Reisender wurde aber vor allem von Holzschnitt-Künstlern wie Hishikawa Moronobu, Isoda Koryūsai, Kitagawa Utamaro oder Utagawa Kuniyoshi beflügelt, die ihren Blick auf Geishas, Kurtisanen und Teehausmädchen gerichtet hatten. Ihre Motive dominieren nahezu stereotyp auch die Fotografie der Meiji-Zeit. Insbesondere die Geishas als Japan-Ikonen, aber auch Kabuki-Schauspieler standen für verfeinerte Ästhetik und Kultiviertheit. Es sind diese Merkmale, die Fotografen wie Kajima Seibei, Kusakabe Kimbei oder Ogawa Kazumasa gleichermaßen in ihren bildnerischen Qualitäten anstrebten. Ihre in lichten Tönen kolorierten Abzüge, die gerne in intarsiengeschmückten Lackalben offeriert wurden, erwiesen sich als ausgesprochene Verkaufsschlager, die zum Markenzeichen für die japanische Souvenirfotografie wurden.
Kusakabe Kimbei Geisha, einen Brief verfassend, um 1885 Albuminpapier, koloriert, 26,1 x 20,6 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Stereotypen bestimmten auch die Darstellung und Vermarktung männlicher Japaner. So zeigen die Bilder häufig Samurai, Bogenschützen, Kendō-Fechter und Sumō-Ringer, fingierte Seppuku-Szenen und Begrüßungszeremonien. Zum Motiv-Kanon gehörten ferner religiöse Würdenträger sowie die reich tätowierten Körper der Sänftenträger, Postboten oder Zimmermänner.
Ogawa Kazumasa A Damsel – Maiko zur Kirschblütenzeit um 1890 Albuminpapier, koloriert, 27,0 x 20,6 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
Porträts und Genreaufnahmen wurden verallgemeinert als „Costumes“ vertrieben. In der Regel inszenierte Studioarrangements, richten die Bilder den Blick vorrangig auf die vorindustrielle Arbeitswelt und den Alltag vor der Modernisierung. Sie lassen nicht ahnen, dass 1872 die erste Eisenbahn das Land durchschnitt oder Textil-, Chemie- und Glasindustrie prosperierten.
Fotograf unbekannt Kirschblüte am Edo in Tōkyō um 1910 Salzpapier, koloriert, 12,0 x 29,4 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum
Seit den 1880er Jahren beherrschten japanische Studios das Geschäft mit der kommerziellen Fotografie, die rasch mit neuen Techniken wie dem Lichtdruck zu konkurrieren hatte. „Farben, die nie verblassen“ und deutlich günstigere Preise waren ein unschlagbares Argument für die interessierten Kunden. Zu ihnen gesellten sich mit eigener Kamera die ersten Amateure. Fotografen wie Kusakabe Kimbei nahmen nun das Entwickeln, Abziehen und Kolorieren der geknipsten Bilder in ihr Angebot auf, und als mit der Jahrhundertwende die Postkarte auf den Plan trat, vertrieben sie ihre Aufnahmen auch als Lichtdruck-Postkarten.
Fotograf unbekannt Nishi Hongan-ji in Kyōto, Gang der nördlichen Studienhalle Aus: Ōyagi Daigyō (Hg.): Honganji shashinchō, Kyōto 1910 Lichtdruck, 26,7 x 21,1 cm © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
Die formalisierten Inhalte und statischen Kompositionsformen der Bilder blieben indes bis ins 20. Jahrhundert hinein weitgehend unverändert. Offensichtlich hielten nicht nur Globetrotter aus dem Westen an ihrer nostalgischen Weltsicht auf ein rückständiges Japan der Edo-Zeit fest. Abgesehen von wirtschaftlichen Interessen war die beharrliche Inszenierung von ikonischen Sujets wie der Geisha oder dem Fuji seitens japanischer Fotografen auch Ausdruck eines auf traditionelle Werte gerichteten Nationalgefühls. So begann das paradiesische „Wunderland“ seine militärischen Ambitionen zum Ende des Jahrhunderts auf China und Russland zu richten. Bildreporter wie James Ricalton oder Herbert Ponting griffen die expansive Seite des „Neuen Japan“ auf. So lieferte Ricalton 1904 und 1905 für die Stereocompany Underwood & Underwood serienweise mehr als 300 Aufnahmen vom Russisch-Japanischen Krieg.
Erstmals zeigt die Ausstellung rund 250 Exponate aus den Sammlungen der Kunstbibliothek, des Ethnologischen Museums, des Museums für Asiatische Kunst, der Staatsbibliothek und des Geheimen Staatsarchivs. Damit führt sie einzigartige Bestände aus fünf Häusern zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Motivationen japanbezogene Artefakte erworben haben, und öffnet einen panoramatischen Blick auf die Bildwelten der Meiji-Zeit. Dabei treten die Aufnahmen, ergänzt durch Buchobjekte, Mappenwerke, Alben und Reiseberichte, in einen Dialog mit Farbholzschnitten bedeutender Künstler. Diese mediale Vielfalt stellt einerseits den Bezug zu japanischen Bildtraditionen und Einflüssen her, andererseits verdeutlicht sie die grundlegenden westlichen Einflüsse auf die fotografische Interpretation der Meiji-Zeit.
Der Begleitband gleichnamigen Titels ist im Kerber Verlag erschienen. Er umfasst 320 Seiten mit 234 Abbildungen zum Preis von 49,90 Euro.
Besucherinformationen Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin Museum für Fotografie Jebensstr. 2, 10623 Berlin-Charlottenburg Ausstellungsdauer: bis 10. Januar 2016 Öffnungszeiten: Di bis Fr 10–18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa & So 11–18 Uhr Eintritt:
10 Euro, ermäßigt 5 Euro
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung von Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin.