Lee Miller

Selbstbestimmt, spontan und unruhig – Lee Miller und ihre Fotografien

David E Scherman- Lee Miller 1944
By David E. Scherman/United States Army Signal Corps [Public domain], via Wikimedia Commons

Sicher eine der faszinierendsten Ausstellungen dieses Jahres ist die des Martin-Gropius-Bau über Lee Miller. Gestern gestartet ist sie noch bis zum 12. Juni 2016 in Berlin zu sehen. Grund genug für uns, der großen Fotografin unsere Sonntagslektüre zu widmen.

Lee Miller (1907-1977) zählt zu den faszinierendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Kriegsfotografien gingen um die Welt und sind vielen bekannt.

Das Werk der US-Amerikanerin ist aber wesentlich umfangreicher und erstreckt sich über die unterschiedlichsten fotografischen Genres: Surrealistische Arbeiten, Modestrecken, Künstlerportraits, Reisefotografien, den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen.

Millers Leben ist voll von beinahe unglaublichen Ereignissen. Ihre Karriere, zunächst als Fotomodell, begann 1926 mit einem Beinahe-Unfall. Der Mann, der sie im letzten Moment von der Straße zog, bevor ein herannahendes Auto sie erfasste, war Condé Nast, der Verleger der Zeitschriften Vanity Fair und Vogue. Fasziniert von ihrer Ausstrahlung bot er ihr einen Vertrag als Fotomodell an. Für die Vogue wurde sie in der Folge von so berühmten Fotografen wie Edward Steichen, Nickolas Muray und George Hoyningen-Huene abgelichtet.

1929 zog es die für ihre spontanen Entschlüsse bekannte Lee Miller zu den Surrealisten nach Paris. Die Fotografie erlernte sie bei Man Ray, mit dem sie auch eine Weile liiert war. Die gemeinsamen Fotoprojekte der beiden sind auch heute noch beachtenswert, insbesondere die Arbeiten zur Solarisation. Bereits 1931 war sowohl die Liebes- als auch die Arbeitsbeziehung beendet und Lee Miller machte sich als Fotografin selbstständig. Sie fotografierte für die Modezeitschrift Vogue und stand selbst als Modell vor der Kamera. 1932 kehrte sie nach New York zurück und eröffnete ihr eigenes Fotostudio.

Unruhiger Geist, der sie war, zog sie schon 1934 weiter nach Ägypten, der Liebe zu dem Geschäftsmann Aziz Eloui Bey wegen, den sie auch heiratete. Ihre ägyptischen Fotografien der Ruinen, Tempel und Pyramiden sind stark beeinflusst vom Surrealismus. 1937 begegnete sie dem frisch geschiedenen und ebenfalls vom Surrealismus geprägten Künstler, Kunsthistoriker und Kunstsammler Roland Penrose und verliebte sich in ihn. Gemeinsam bereisten die beiden in den Folgejahren Europa. In dieser Zeit entstanden viele Fotografien und gemeinsame Projekte. Beide lernten Pablo Picasso kennen, der insgesamt sechs Portraits von Lee Miller malte.

Lees Ehe mit Aziz Eloui Bey endete 1939. Sie zog gemeinsam mit Penrose nach London. Das gemeinsame Haus in London wurde für viele Jahre zum Intellektuellen-Treffpunkt und beherbergte zeitweise den Time-Life Fotografen  Fotograf David E. Scherman und die Journalistin Kathleen McColgan.

Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Lee Miller offizielle Kriegsfotografin der Vogue. In den Folgejahren dokumentierte sie, häufig gemeinsam mit David E. Scherman, den Angriff der deutschen Luftwaffe auf London, den ersten Napalm-Einsatz in der Schlacht um Saint-Malo und die Befreiung von Paris. Sie war bei dem Zusammentreffen von sowjetischen und amerikanischen Truppen in Torgau ebenso dabei wie bei der Einnahme von Adolf Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg.

Am 30. April 1945, dem Tag von Hitlers Selbstmord, fotografierte David E. Scherman das wohl berühmteste Portrait von Lee Miller, in dem sie nackt in der Badewanne von Adolf Hitler in dessen Münchner Wohnung liegt.  Zuvor hatten Scherman und Miller als einige der der ersten Fotografen die Befreiung und die Verbrechen in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald dokumentiert.

Die Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und insbesondere die in den Konzentrationslagern gesehenen Gräuel führten bei Lee Miller zu dem, was heute unter dem Namen Kriegspsychose oder besser posttraumatische Belastungsstörung bekannt ist. Sie erholte sich nie wieder davon.

By Simon Harriyott from Uckfield, England (Lee Miller Uploaded by Oxyman) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

1947 heirateten Lee Miller und Ronald Penrose. Im gleiche Jahr kam ihr Sohn Anthony zur Welt, dem später die Bewahrung und Aufarbeitung von Lees Werk zu verdanken sein sollte. Die Familie zog in das Farley Farm House in Chiddingly.

Lee Miller zog sich weitgehend aus dem Berufsleben zurück. Die Bilder aus dem Krieg ließen sie nicht los. Darüberhinaus musste sie mehrfach Befragungen des britischen MI5 über sich ergehen lassen, da sie unter dem Verdacht stand, eine sowjetische Spionin zu sein.

In der Folge erkrankte Lee an Depressionen und begann zu trinken. Am 21. Juli 1977 starb sie an den Folgen einer Krebserkrankung.

In den 1980er Jahren begann Lees Sohn Anthony Penrose mit der Verwaltung und Aufarbeitung ihres Nachlasses. Farley Farm House ist heute ein Museum, in dem die umfangreiche Kunstsammlung von Lee Miller und Ronald Penrose ebenso ausgestellt ist wie ihre eigenen Werke.

Nach der großen Retrospektive in der Albertina in Wien im Herbst 2015 zeigt nun der Martin-Gropius-Bau eine umfassende Ausstellung zu Lee Miller. Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Ausstellungsinformationen

Martin-Gropius-Bau Berlin
Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin 
Tel +49 30 254 86-0
Fax +49 30 254 86-107
[email protected]

Ausstellungsdauer: bis 12. Juni 2016
Öffnungszeiten: Mi bis Mo 10–19 Uhr, Di geschlossen
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5 Euro, bis 16 Jahre frei

Weitere Informationen: Rezension: Becky E. Conekin. Lee Miller

Lee Miller: (E/ G) (Fotografie) (Taschenbuch)

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