Die Kraft des radikalen Blicks
Die aktuelle Ausstellung in den Deichtorhallen in Hamburg ist ganz sicher nichts für Zartbesaitete. Alle drei ausgestellten Fotografen sind bekannt für ihren ungeschönten und direkten Blick. Sie machen keinen Halt vor Tabus oder Dingen, „die wir lieber nicht sehen wollen“. Das ist gut so, denn es zeigt uns Teile unserer Realität, die zu unserer Gesellschaft und unserem Leben dazugehören, die wir aber doch gerne ausblenden. Insofern ergeht eine Warnung: Wer in einer Fotoausstellung nur „schöne“ Bilder betrachten will, der sollte diese nicht besuchen. Für alle anderen ist die Präsentation unserer Meinung nach eine Bereicherung, sowohl von der fotografischen Güte her als auch im Hinblick auf die Dokumentation des Großstadtlebens mit all seinen verschiedenen Facetten.
Die Großstadt als Thema mit ihren Subkulturen, Verheißungen und Gefahren eint die drei fotografischen Positionen von Ken Schles, Jeffrey Silverthorne und Miron Zownir, die im Haus der Photographie der Deichtorhallen Hamburg noch bis zum 7. August 2016 vorgestellt werden.
»Silverthorne, Schles und Zownir berühren gesellschaftliche Tabus, die wir meiden. Mit der Kraft des radikalen Blicks wird die Wirklichkeit in unser Bewusstsein zurück katapultiert und damit wieder Teil unserer Existenz«, so Ingo Taubhorn, Kurator der Ausstellungen.
Im Zentrum der Ausstellung von Ken Schles (geb. 1960) stehen die zwei Werkgruppen »Invisible City« und »Night Walk«, die der amerikanische Fotograf Ende der 1980er Jahre in New York fotografierte. Sie gelten als wegweisende Dokumentationen urbanen Lebens und zeigen in einer Art persönlichem Tagebuch das Leben in der Lower East Side über den Zeitraum von zehn Jahren. Es sind packende Darstellungen einer verschwundenen, schockierend harten und vielfältigen Welt, zu der nur Wenige Zutritt hatten.
Das fotografische Werk Jeffrey Silverthornes (geb. 1946) stellt pointiert existenzielle Lebensfragen nach Identität, Geschlecht, Liebe, Gewalt, Sexualität und Tod. In Auseinandersetzung mit antiken Dramen und Malereitraditionen entstehen Bilder, die grundsätzliche Fragestellungen des menschlichen Zusammenlebens untersuchen. Seine Themen findet er an verschiedenen Orten der USA wie die Grenze zu Mexiko oder in New York, in Leichenschauhäusern oder Bordellen, bei Transvestiten und Transsexuellen.
Miron Zownir (geb. 1953), auch Filmemacher und Schriftsteller, gehört seit mehr als 30 Jahren zu den radikalsten Fotografen der Gegenwart. In seiner drastischen und düsteren fotografischen Sprache beschreibt Zownir die Parallelwelten von Außenseitern und Verlorenen in der Schattenwelt westlicher Metropolen wie Berlin, New York, London und Moskau. Es sind die Nachtseiten des menschlichen Daseins, die finstere Einsamkeit, die existenziellen Ausnahmezustände und Grenzsituationen der menschlichen Psyche, die Zownir ohne Sicherheitsabstand aufspürt und sichtbar macht.
Die Ausstellung wird begleitet von fotografischen Editionen der drei Künstler sowie einem umfangreichen Programm mit Sonderführungen, Künstlergesprächen, Workshops und einer Filmreihe.
Publikationen
Neu aufgelegt vom Steidl Verlag ist das Buch Invisible City von Ken Schles sowie als Neuerscheinung das Foto-Buch Nightwalk. Im Kehrer Verlag ist ein Buch mit den Arbeiten von Jeffery Silverthorne erschienen. Von Miron Zownir erschien aktuell das Buch NYC RIP bei PogoBooks. Zur Ausstellung erscheinen fotografische Editionen der drei Künstler.
Besucherinformationen Deichtorhallen Hamburg Deichtorstr. 1-2, 20095 Hamburg Tel +49 (0)40 32 10 30 [email protected] Ausstellungsdauer: bis 7. August 2016 Öffnungszeiten: Di bis So 11–18 Uhr. Jeden 1. Do im Monat 11– 21 Uhr Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 6 Euro, bis 17 Jahre frei
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung von Deichtorhallen Hamburg.