Hommage an acht großartige Fotojournalistinnen
Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf widmet sich mit der Ausstellung Fotografinnen an der Front noch bis zum 10. Juni 2019 dem bislang wenig beachteten Beitrag von Frauen zur Kriegsfotografie.
Gezeigt werden circa 140 Fotografien von Carolyn Cole (*1961), Françoise Demulder (1947–2008), Catherine Leroy (1944–2006), Susan Meiselas (*1948), Lee Miller (1907–1977), Anja Niedringhaus (1965–2014), Christine Spengler (*1945) und Gerda Taro (1910–1937).
Die in den Jahren 1936 bis 2011 entstandenen Aufnahmen dokumentieren die lange Tradition von in Krisengebieten tätigen Fotografinnen und stellen die weitläufige Vorstellung infrage, die Kriegsfotografie sei ein von Männern dominiertes Berufsfeld. Die Auswahl berücksichtigt Arbeiten von den europäischen Konflikten der 1930er- und 1940er-Jahre bis zu den jüngsten internationalen Kriegsgeschehen. Bei der Zusammenstellung wurde darauf geachtet, dass die wichtigsten fotografischen Positionen vertreten sind und zugleich sehr unterschiedliche Kriegsgebiete aus den letzten 80 Jahren beleuchtet werden.
„Der wesentliche Beitrag von Frauen zur Kriegsfotografie ist bisher nicht ausreichend gewürdigt worden.“, betont Felix Krämer. „Die Ausstellung im Kunstpalast zeigt, dass in der Kriegsberichterstattung, wie in allen anderen Sparten der Fotografie, Bilder von zeitloser Relevanz entstanden sind. Sie liefern nicht nur wichtige Anregungen für vielfältige Diskurse, sondern ihnen gebührt auch eine angemessene museale Anerkennung.“
Anhand der ausgewählten Arbeiten wird deutlich, dass sich Fotojournalistinnen verschiedenster Bildstrategien und Erzählformen bedienen. „Wir zeigen acht Fotografinnen mit acht unterschiedlichen Perspektiven auf den Krieg.“, erläutert Felicity Korn, eine der beiden Kuratorinnen. „Jede von ihnen steht für ihren eigenen Stil. Die jeweiligen Herangehensweisen changieren zwischen der Wahrung sachlicher Distanz, unmittelbarer Direktheit und persönlicher Anteilnahme.“
Bilder für die Medienlandschaft
Gemeinsam ist allen Werken, dass sie vorrangig für die schnelllebige Nachrichtenwelt geschaffen wurden. Jede der präsentierten Fotografinnen publizierte ihre Bilder in wichtigen Zeitungen und Magazinen. Die Wirkung und Bedeutung der Aufnahmen geht weit über das hinaus, was sie abbilden.
„Es braucht Ausstellungen wie diese, um die großartigen Fotografien aus der Bilderflut der Medienlandschaft herauszufiltern.“, erklärt Anne-Marie Beckmann, ebenfalls Kuratorin der Ausstellung. „Die Präsentation in einem Kunstmuseum bietet die Möglichkeit, sowohl die inhaltliche Dimension als auch die künstlerische Kraft der Aufnahmen hervorzuheben und auf sich wirken zu lassen.“
Vielerorts waren die Fotografinnen an vorderster Front im Einsatz und machten Aufnahmen von Kriegsgräueln, von Verwundeten und Leichen, die den Betrachter nicht schonen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen erhielten sie häufiger Zugang zu Familien und Betroffenen, da sie nicht als Kriegsteilnehmer wahrgenommen wurden.
Die Fotografinnen
Die deutsch-jüdische Fotografin Gerda Taro ergriff in ihren Bildern vom Spanischen Bürgerkrieg Partei für die politische Agenda der Republikaner und fotografierte für das noch junge Format der Kriegsbildberichterstattung in Illustrierten. Taro war die erste Kriegsfotografin, die im Einsatz umkam: Ihr tragischer Tod mit nur 27 Jahren erlangte internationale Aufmerksamkeit. Dennoch geriet sie wenig später in Vergessenheit.
Im Auftrag des Modemagazins Vogue dokumentierte die amerikanische Kriegskorrespondentin Lee Miller die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Sie begleitete den Vormarsch der alliierten Truppen von der Normandie bis nach Süddeutschland. Miller gehörte zu den Bildberichterstattern, die direkt nach der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald vor Ort waren.
Zu den bekanntesten Fotojournalisten des Vietnamkriegs zählt die Französin Catherine Leroy, die die Nähe zu den kämpfenden Truppen suchte. Ihre Aufnahmen reflektieren, dass dieser Krieg erstmals über Fernsehbilder nahezu live in die Welt gesendet wird: Auffällig ist die oft szenische Anmutung von Leroys Fotografien, die an Filmstills erinnern.
Die im Elsass geborene Christine Spengler interessierte sich besonders für die Schicksale der einheimischen Frauen und Kinder und deren Versuch, ihr Leben hinter den Frontlinien weiterzuführen. In Spenglers Aufnahmen werden Einflüsse aus ihrer Auseinandersetzung mit Meisterwerken der Kunstgeschichte deutlich. So erinnert ihr Bildnis einer in der Westsahara fotografierten jungen Mutter, die im einen Arm ihr Kind, im anderen ein Maschinengewehr hält, an historische Madonnen-Porträts.
Françoise Demulder, die erste Gewinnerin des World Press Photo of the Year Award 1977, war oftmals an denselben Einsatzorten tätig wie Spengler und Leroy. Ihre Arbeiten bestechen durch Ruhe, Distanz und eine klar strukturierte Komposition.
Für ihre Dokumentation des Aufstandes gegen das Somoza-Regime in Nicaragua wurde die amerikanische Magnum-Fotografin Susan Meiselas 1979 mit der Robert Capa Goldmedaille ausgezeichnet. Ihre Aufnahmen fielen in der zu dieser Zeit vorwiegend in Schwarz-Weiß gehaltenen Kriegsberichterstattung durch ihre Farbigkeit auf. Die Farbe ist in Meiselas’ Fotografien aus Nicaragua ein wesentliches kompositorisches Element, um die Geschehnisse und Stimmungen zu transportieren.
Farbigkeit bestimmt auch das Werk der Amerikanerin Carolyn Cole, die seit 1994 für die Los Angeles Times arbeitet. Meist kommt Farbe bei Cole monochrom und zurückhaltend zum Einsatz. Dass ihre mit einer Digitalkamera gemachten Bilder aus Liberia, Irak, Pakistan und Palästina nicht nur für die gedruckte Veröffentlichung, sondern auch für die Online-Berichterstattung vorgesehen waren, spiegelt sich in der Gestaltung wider, die ein unmittelbares Erfassen ermöglicht.
Die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus war seit den 1990er-Jahren in Kriegs- und Krisengebieten tätig: vom Balkan bis zu den Kriegen im Irak, Afghanistan und Libyen. Besonders verbunden fühlte sich Niedringhaus der Zivilbevölkerung, deren schwierige Lebensumstände sie dokumentierte. Trotz der Unmittelbarkeit und Emotion, die ihre eindringlichen Bilder ausdrücken, wahren sie stets eine respektvolle Distanz. Am 4. April 2014 wurde Niedringhaus im Rahmen ihrer Berichterstattung über die Wahlen in Afghanistan innerhalb eines Stützpunkts der Sicherheitskräfte in der Provinz Khost erschossen.
2017 haben die Freunde des Kunstpalastes 74 Aufnahmen von Anja Niedringhaus für die Museumssammlung angekauft.
Die Werkschau im Kunstpalast zeigt Bilder voller Sensibilität, Kraft und Menschlichkeit, die allesamt unter den widrigen Bedingungen des Krieges geschaffen wurden und deren Gültigkeit weit über die Begleitung von Nachrichten hinausreicht. Mit ihrem Gespür für Komposition und Perspektive ist es den Fotografinnen nicht nur gelungen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sondern auch, dass das Auge trotz der erschütternden Thematik auf ihren Aufnahmen verweilt.
Publikation
Begleitend zur Ausstellung erscheint am 15. März 2019 ein 224 Seiten und 163 Abbildungen umfassender Katalog im Prestel Verlag mit Texten von Anne-Marie Beckmann, Ingo Borges, Melanie Grimm, Sebastian Knoll, Felicity Korn, Felix Krämer, Kristina Lemke, Brigitte Sahler und Maria Zinser:
Anne-Marie Beckmann u. Felicity Korn (Hrsg.). Fotografinnen an der Front: Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus.
ISBN: 978-3791358635
Preis: Museumsausgabe 29,80 € | Buchhandelsausgabe: 35,00 €
Besucherinformationen Museum Kunstpalast Ehrenhof 4-5, D-40479 Düsseldorf Tel +49 (0)211 566 42 100 Ausstellungsdauer: bis 10. Juni 2019 Öffnungszeiten: Di bis So 11–18 Uhr, Do 11–21 Uhr Eintritt: 10 €, ermäßigt 8 €, 13 bis 17 Jahre 2 €, unter 13 Jahren frei
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung von Museum Kunstpalast.
Unsere chronologische Übersicht aktueller Fotoausstellungen im deutschsprachigen Raum.
Hinweis: Das Fotomuseum Winterthur zeigt die Ausstellung vom 29. Februar bis 17. Mai 2020.